Heimspiel. Erste vergleichende Tagung zu Uwe Johnson und Walter Kempowski
Rathaus Rostock (Neuer Markt 1 | 18055 Rostock)
Vom 11. bis 13. Mai fand im Bürgerschaftssaal des Rostocker Rathauses die zweite Internationale TagungWeil jedes Menschen Erfahrung löcherig ist. Uwe Johnson und Walter Kempowski im Dialog statt. Sie wurde gemeinsam von der Uwe Johnson-Gesellschaft, der Kempowski-Gesellschaft Gießen sowie dem Kempowski-Archiv-Rostock ausgerichtet. Nicht nur der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Mathias Brodkorb, der die Tagung eröffnete, freute sich über eine solche Zusammenarbeit. Auch das Publikum war vorfreudig erwartungsvoll: Es war das erste Mal, dass die beiden wohl berühmtesten Mecklenburger Schriftsteller des 20. Jahrhunderts gemeinsam verhandelt wurden. Auffallend viele junge Literaturwissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz und den USA trugen vor. Begeisterte Leser jeden Alters diskutierten mit ihnen über das Selbstverständnis der beiden Autoren und ihre Poetologie. Im Einführungsvortrag sprach Alexandra Kleihues aus Zürich bereits eine zentrale Frage an: Welche Erzählverfahren nutzen die beiden, um möglichst realistisch Geschichte darzustellen, und welche Rolle spielen dabei dokumentarische Schreibweisen? Besondere Aufmerksamkeit erfuhr der 2006 erschienene Briefwechsel, der die schwierige, aber zumeist respektvolle Beziehung zwischen Johnson und Kempowski abbildet. Mehrfach betrachtet wurden die Briefe, die während Johnsons Lektorat von Kempowskis Roman Uns geht’s ja noch gold gewechselt wurden, und auch jene, in denen sich die beiden über Erfolg und Misserfolg sowie die eigene Rolle im Literaturbetrieb austauschten.
Anregend und kurzweilig malte Carla Damiano aus Ypsilanti ein posthumes Treffen zwischen Johnson und Kempowski aus, das an einem »neutralen Ort« stattfindet: in einer Bar zwischen Himmel und Hölle. Sie führte Kempowskis Hinwendung zu einem immer forcierteren Collagenstil auf Johnsons Einfluss zurück. Dass man trotz aller Gemeinsamkeiten der beiden Autoren zu recht unterschiedlichen literaturkritischen Bewertungen ihres Werks gelangen kann, ließ sich an Norbert Mecklenburgs Vortrag und insbesondere in der daran anschließenden Diskussion verfolgen. Die Neugier der Leser ist groß, das gemeinsame vergleichende Lesen steht noch am Anfang. Es sind nicht nur viele Fragen offen, es sind auch noch lange nicht alle gestellt. Ganz in diesem Sinne endete die Tagung mit der Überlegung von Lutz Hagestedt aus Rostock, ob man beiden Autoren nicht konservative Haltungen zuschreiben könne. Alles in allem boten die drei Tage genügend Gesprächsstoff, um den Austausch der Johnson-und Kempowski-Leser möglichst bald fortzusetzen. An interessiertem Publikum wird es nicht mangeln, wie am durchgehend gut besuchten Sitzungssaal der Rostocker Bürgerschaft zu erkennen war.
Im Rahmen der Tagung fand die zweite Mitgliederversammlung der Uwe Johnson-Gesellschaft statt, bei der der Vorstand sowie zwei Rechnungsprüfer neu gewählt wurden. Der Rechenschaftsbericht bestand nicht nur aus einem Rückblick auf die beiden Jahre seit der Gründung der Gesellschaft, sondern auch aus einem Ausblick auf kommende Veranstaltungen und geplante Vorhaben. Das ist der sicherste Beweis für die gelungene Arbeit. Die wichtigsten ›Baustellen‹ wurden durchweg von studentischen Mitgliedern vorgestellt. Die Mitglieder wurden über die Vorbereitungen zur Werkausgabe und die Arbeit an einer online-Bibliographie informiert, Pläne für weitere Workshops und das erfolgreich begonnene Projekt Johnson in der Schule wurden ausgebreitet. Wir danken allen Gästen für ihr Kommen und den Referenten für ihre Vorträge. Besonderer Dank gilt Katrin Möller-Funck vom Kempowski-Archiv Rostock für ihre umsichtige Arbeit vor, während und nach der Tagung, sowie der Firma Fries, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und dem Steigenberger Hotel Sonne für ihre großzügige Unterstützung. Last but not least sei dem gesamten Team vor und hinter den Kulissen für eine reibungslose Organisation und eine rundum gelungene Veranstaltung gedankt.
Das vollständige Programm finden Sie hier.