Vorstellung des Johnson-Jahrbuchs 17
Universität Rostock
Den unbescholtenen Bürger zum Johnson-Leser machen
Die Vorstellung des 17. Johnson-Jahrbuchs am 31. März 2011 in der Universität Rostock führte Geschichte und Gegenwart der Johnson-Forschung zusammen.
Unter dem Titel Fortführen und Anfangen. 16 Bände und einer erzählte Prof. Holger Helbig die Geschichte des Jahrbuchs von der ersten Idee bis zum Ausblick auf die »nächsten 100 Bände«. Als Student lernte Holger Helbig 1990 Dr. Ulrich Fries in einem Johnson-Seminar kennen. Beide verband die Neugier auf Johnsons Leben und Werk und sie planten, gemeinsam ein Buch zu Johnson herauszugeben.
Dass daraus gleich ein Jahrbuch wurde, ist Winfried Hellmann vom Verlag Vandenhoeck&Ruprecht zu verdanken. Er nahm die beiden jungen Herausgeber unter seine Fittiche und war ihnen ein strenger Lehrer. »Das ist kein Deutsch, solche Sätze werden in unserem Hause nicht gesetzt«, erklärte er, als er 1991 die Aufsätze für den ersten Band auf den Tisch bekam.
Heute, 16 Bände später, gibt Holger Helbig das, was er damals gelernt hat, an seine Studenten weiter. Das Johnson-Jahrbuch in Rostock zu haben, ermöglicht den Studierenden den Entstehungsprozess der Bände mit zu verfolgen und dabei auch selbst tätig zu werden. Für Bachelor- und Masterstudenten bedeutet dies Nähe zur Berufspraxis. Holger Helbig hebt hervor: »Wenn Rostocker Studenten und Doktoranden im Jahrbuch veröffentlichen, dann ist das, was sie schreiben, nicht nur für Rostocker Professoren bestimmt«. Die Herausgeber, so betonte er mehrmals, wollen ein Buch machen, das auch für »unbescholtene Leser« bestimmt ist.
Zwei der Doktoranden, die bereits seit 2009 am Jahrbuch mitgearbeitet hatten, stellten im Anschluss an Helbigs Vortrag ihre Dissertationsvorhaben vor. Beide schließen an die aktuelle Forschung an, die die Grenze zwischen Johnsons Werk und seinem Leben neu verhandelt. Unter dem Titel »… im Ton des Lektors« erforscht André Kischel Johnsons publizierte und unpublizierte Gutachten zu Texten von anderen Schriftstellern seiner Zeit. Er wirft dabei einen Blick auf den Leser Johnson, seine Poetologie und die Maßstäbe, nach denen er Literatur beurteilt.
Die beinahe 30 Jahre andauernde Korrespondenz zwischen Uwe Johnson und den Leipziger Freunden ist die materielle Grundlage für die Untersuchungen von Antje Pautzke. Anhand der fast 2000 Blatt umfassenden Briefsammlung fragt Frau Pautzke nach dem Erfolgsgeheimnis von fünf außergewöhnlichen Persönlichkeiten. Ihre These: Die Freunde waren gerade deswegen so erfolgreich, weil sie vom Wissen der anderen profitierten.
Von Anfang an ging es Helbig und Fries aber nicht nur um gutes Deutsch und interessante Aufsätze, sondern auch darum, schöne Bücher zu machen. »Man soll den Büchern ansehen, dass sie für den Leser gemacht sind. Johnson hatte für Leser geschrieben und nicht für Germanisten«, so Holger Helbig. Es war ihm daher ein besonderes Anliegen, den neuen Einband des Jahrbuches vorzustellen. Von diesem Jahr an wird auf jedem Schutzumschlag ein Foto Johnsons präsentiert und im Band erläutert.
Umrahmt wurde die Veranstaltung von einer Lesung aus dem Briefwechsel von Uwe Johnson mit Max Frisch und Hans Magnus Enzensberger durch zwei Schauspieler des Volkstheaters Rostock. Bei Sekt und kleinen Leckereien blieb anschließend genug Zeit für Nachfragen, Gespräche zwischen Vortragenden und Gästen und Visionen für die nächsten 100 Bände.